Dienstag, 15. April 2014

Wundermittel im Kopf

TitelbildUnter diesem Titel erschien 2007 im Spiegel ein hochspannender Artikel. Darin werden verschiedene neurologische Studien der führenden Forscher (u.a. Jon-Kar Zubieta und Fabrizio Benedetti) zum Placebo-Effekt beschrieben. Man kann neben spannenden Experimenten auch Erstaunliches aus der Welt der Medizin lesen. So enthalte in den USA etwa 1/3 aller Medikamente gar keine Wirkstoffe und gemäss einer Umfrage verabreichten in Israel 60% der Ärzte wissentlich Scheinbehandlungen.

"Die Befunde der Wissenschaftler lassen keinen Zweifel: Egal ob kranke Menschen Arzneimittel nehmen, sich operieren lassen oder einfach mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten reden - jede medizinische oder psychologische Zuwendung ist angetan, Selbstheilungskräfte des Körpers freizusetzen. Die menschliche Vorstellungskraft, so der Turiner Benedetti, könne im Körper "Mechanismen in Gang bringen, die jenen ähneln, die von Arzneimitteln aktiviert werden"."

"An den Signalen des Positronenemissionstomografen können die Forscher ablesen, wie sich körpereigene Schmerzmittel (Endorphine) an die Rezeptoren im Gehirn binden. Reine Suggestion führt folglich zu einer biochemischen Antwort im Gehirn - wodurch die Pein der Probanden messbar nachlässt. "Die Erwartungshaltung", sagt Zubieta, "bewirkt reale Veränderungen im Körper."

Ein anderer Forscher, der die Macht der Suggestion im Gehirn dingfest machen konnte, ist Fabrizio Benedetti von der Universität Turin. Er und seine Kollegen haben Menschen untersucht, die an Schüttellähmung (Parkinson) erkrankt sind. Bei diesem Leiden ist die Aktivität der Nervenzellen in einem bestimmten Hirnareal krankhaft erhöht, den Betroffenen zittern die Hände. Dottore Benedetti verabreichte einigen seiner Patienten eine Kochsalzlösung - versicherte ihnen aber, es handle sich um eine wirkmächtige Arznei.

Und siehe da: Dermaßen waren die Kranken von dem Heilsversprechen beeindruckt, dass sich ihre allzu nervöse Gehirnregion entspannte. Die Neuronen feuerten merklich weniger, wie Messungen an einzelnen Nervenzellen offenbarten. Und in dem Maße, in dem sich das Neuronengewitter abschwächte, schwand auch das Tattern der Patienten."

Weiter später kann man lesen: "Enorm ist der Einfluss des Placebo-Effekts in der gesamten Medizin, wie groß genau, das lässt sich schwer beziffern. Bei den meisten Erkrankungen, schätzt der amerikanische Kardiologe Brian Olshansky, "trägt Placebo zu 30 bis 40 Prozent zum Nutzen der medizinischen Maßnahmen bei"."

Dieser Artikel ist echt lesenswert und enthält viele Informationen darüber, wie unser Bewusstsein auch völlig subversiv beeinflusst werden:

"Geradezu unheimlich ist es, in welchem Ausmaß negative Manipulation das Wohlbefinden von Menschen beeinträchtigen kann. Becca Levy von der Yale University School of Public Health in New Haven, Connecticut, hat das am Beispiel des Altersrassismus dargelegt. Sie ließ gesunde Testpersonen, die älter als 60 Jahre waren, einen Rechentest am Computer absolvieren. Währenddessen blitzten verschiedene Begriffe zum Thema Altern am Rand des Bildschirms auf, so schnell, dass sie von den Testpersonen nur unterbewusst wahrgenommen wurden.

Bei der einen Gruppe wurden positive Begriffe wie "weise", "belesen" und "kultiviert" eingeblendet, bei der anderen negative Stereotype wie "verwirrt", "senil" und "hinfällig". Ergebnis: Die negativ manipulierten Menschen schnitten in dem Rechentest deutlich schlechter ab. Überdies war ihr Blutdruck erhöht, und sie zeigten Anzeichen von nervösem Schweiß. Das bedeutet: Unterschwellige Verunglimpfung verschlechtert die Körperphysiologie."


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