Samstag, 7. März 2015

Spannendes Themenheft zur Epigenetik

Dieses Spektrum Kompakt Themenheft zur Epigenetik vom Oktober 2014 beinhaltet sehr gute Artikel mit spannenden Neuigkeiten zum Thema. Es ist in sehr gut lesbarer Form aufbereitet und absolut empfehlenswert. Für mich waren daraus vor allem 2 Artikel spannend:

Im einen Artikel (Angst im Genom) geht es u.a. um die Forschung von Isabel Mansuy an der Uni und ETH Zürich: "Trennt man neugeborene Tiere für mehrere Stunden am Tag von ihren Müttern, ist das ein traumatisches Ereignis für die Mäusebabys. Als Folge entwickeln sie depressions- ähnliche Symptome und legen zudem ein untypisches, risikoreiches Verhalten an den Tag. So verlieren die Mäuse ihre Scheu vor offenen Räumen und hellem Licht. Die Störung vererbt sich auf die Nachkommen. Paart man Männchen aus traumatisierten Würfen mit Weibchen, die niemals frühkindlichem Stress ausgesetzt wurden, zeigt auch die nächste Generation das ungewöhnliche Gebaren. [...] Mansuy und ihre Mitarbeiter fahndeten in den traumatisierten Mäusen nach Auffälligkeiten und stießen in Spermien, Blut und im Gehirn der Tiere auf kleine RNA-Schnipsel, so genannte »small noncoding RNAs« (sncRNA, kleine, nichtkodierende RNA). Dabei handelt es sich um kurze RNA-Moleküle, die selbst keine genetische Information beherbergen, dafür aber die Aktivität von Genen beeinflussen. Einige dieser sncRNAs traten bei den gestressten Tieren in ungewöhnlich hoher Anzahl auf. Bei den Nachkommen entdeckten die Wissenschaftler diese Auffälligkeit ebenfalls. Um zu prüfen, ob diese RNA-Stückchen tatsächlich für das auffällige Verhalten verantwortlich zeichnen, injizierten die Wissenschaftler in einem weiteren Experiment die sncRNAs aus den Spermien gestresster Mäuse in befruchtete Eizellen unbeeinträchtigter Tiere. Auch diesmal hatten die Nachkommen die Verhaltensstörungen geerbt. »Wir haben einen völlig neuen Weg aufgezeigt, wie sich die Folgen traumatischer Erlebnisse auf nachfolgende Generationen auswirken können«, erklärt Mansuy "
Neben den bekannten epigenetischen Schalter wie Methylierung, Phosphorylierung und anderen Histonmodifikationen scheint es also noch weitere Mechanismen zu geben, die an Nachkommen weitervererbt werden. Besonders interessant ist, dass die Konzentration an sncRNA offenbar mit negativen Emotionen korreliert!

Der zweite für mich hochspannende Artikel mit dem Titel "Auf ein paar Monate genau" ist laut Spektrum eine "exklusive Übersetzung aus nature" (DEM Forschungsmagazin schlechthin). Im Artikel geht es darum, dass Steve Horvath eine epignetische Uhr entwickelt hat, mit der sich das Alter von Gebewebe (und somit von den Spendern dieses Gewebes) auf einige Monate exakt berechnen kann. Es handelt sich dabei um einen komplizierten mathematischen Algorithmus (Horvath promovierte in Mathematik und danach in Biostatistik), der von vielen anderen Wissenschaftlern bereits getestet wurde und ebenfalls sehr genaue Resultate erreichte. Grundlage dieses Algorithmus ist die Tatsache, dass sich die epigenetischen Muster in Zellen mit dem Altern verändern. Der Durchbruch in der Korrelation zwischen diesen Methylierungsmustern und dem chronologischen Alter gelang den Forschern, als sie die Methylierungen an ganz bestimmten DNA-Regionen betrachteten: "In der DNA des Menschen sitzen Methylgruppen meist an CpG-Dinukleotiden, den so genannten CpG-Sites. Darunter versteht man Sequenzen, an denen ein Cytosin (C) einem Guanin (G) voransteht. Das Genom eines Menschen enthält üblicherweise mehr als 28 Millionen solcher Stellen. Aber die Mikroarray-Technologie, mit der DNAMethylierung meist untersucht wird, erfasst nur einen Bruchteil davon: Ältere Systeme erkennen 27000 dieser Stellen, neuere etwa 485000. Horvath hatte Glück. Er war erfolgreich, indem er ein einfaches statistisches Modell anwendete. Mit diesem berechnete er, in wie vielen Zellen eines Speicheltropfens die DNA nur an zwei ganz bestimmten CpG-Sites methyliert ist. Der errechnete Index entsprach dem Alter der Teilnehmer und erreichte dabei eine Korrelation von 0,85 (85 Prozent) und eine durchschnittliche Genauigkeit von etwa fünf Jahren.[...] Im Jahr 2012 nutzte sein Algorithmus 16 CpG-Stellen des Genoms und lieferte Korrelationen mit dem chronologischen Alter von 96 Prozent in neun unterschiedlichen Geweben. Die Genauigkeit war erstaunlich: Der mittlere Fehler lag für Blutzellen bei drei Jahren und für den Abstrich aus der Mundhöhle bei nur 18 Monaten. [...] Bis Dezember 2012 hatte er von 51 normalen Geweben und Zellen sowie 20 verschiedenen Krebsarten Methylierungsdaten angehäuft. Dazu konnte er 353 CpG-Sites zur Altersbestimmung nutzen." Nachdem Horvarths Artikel im Oktober 2013 erschienen war, luden viele Wissenschaftler das Programm von seiner Website herunter, um damit ihre eigenen Daten zu prüfen. Dabei zeigte sich, dass Horvaths Alogrithmus unglaublich gut ist (die Übereinstimmung zwischen dem aufgrund der epigenetischen Methylierungsmuster errechneten und dem chronologischen Alter betrugen zwischen 98 und 99.7%). Die Forscher können auch zeigen, dass eine vorschnelle Alterung auf epigenetischer Ebene mit einer erhöhten Sterblichkeit korrelieren (darauf deuten laut Horvath jedenfalls Daten aus noch unveröffentlichten Studien). "Laut Horvath zeigen neue Arbeiten, dass HIV-Patienten mit aktiver Virusinfektion epigenetisch älter sind als gesunde Patienten oder solche mit unterdrücktem Virus. Außerdem seien laut einer anderen noch nicht veröffentlichten Studie manche Gewebe von krankhaft adipösen Leuten ihrem chronologischen Alter weit voraus."
Ich finde es sehr spannend, dass neben der Theorie, dass die Verkürzung der Telomere für das Altern verantwortlich ist, nun auch epigenetische Faktoren in die Diskussion kommen. Sicher ist es noch nicht, ob diese wirklich für das Altern verantwortlich sind, doch die hohe Korrelation der Methylierungsmuster mit dem chronologischen Alter könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Forscher einem biologischen "Alterungsfaktor" auf der Spur sind. Und das Tollste daran: Methylierungen sind normalerweise reversibel! Somit könnte es vielleicht sogar eines Tages möglich sein, dass es gelingt, durch Beeinflussung unseres Epigenoms die biologische Uhr auszutricksen...