Dienstag, 16. Februar 2016

Der Quantenbeat des Lebens

Al-Khalili und McFadden wirken beide an der Universität von Surrey und haben gemeinsam ein Buch darüber geschrieben, wie Quantenbiologie die Welt neu erklärt. Wenn ein Professor für theoretische Kernphysik und ein Professor für Molekulargenetik gemeinsam Lebensphänomene erklären, wird es zugegebenermassen etwas kompliziert aber auch sehr spannend!


Die beiden erklären fundiert und dennoch so, dass die Verständlichkeit oberste Priorität hat. Sehr gut gefallen mir die vielen Alltagsvergleiche, die sie einflechten. So beschreiben Sie beispielsweise die Quanten-Superposition von S- und D-Welle in einem Deuteron damit, dass Teilchen gleichzeitig Walzer und Jive tanzen: "Wie man Ende der 1930er Jahre entdeckte, tanzen die beiden Teilchen innerhalb des Deuterons nicht gemeinsam entweder in dem einen oder dem anderen dieser beiden Zustände, sondern in beiden Zuständen gleichzeitig - sie befinden sich zu gleichen zeit in einem Wirbel aus Walzer und Jive; das versetzt sie in die Lage, aneinanderzubinden. [...] Könnten also Teilchen nicht Jive und Walzer zur gleichen Zeit tanzen, unser Universum wäre noch heute eine Suppe aus Wasserstoffgas und nichts anderem..." (S. 14/15)

Die Autoren sind der Ansicht, dass unser Leben auf der Grenze zwischen Quantenwelt und klassischer Welt angesiedelt ist. 2004 erschien in "Nature" ein Artikel über den Orientierungssinn der Vögel, der auf einem Quantenkompass beruht, womit das Aushängeschild für die Quantenbiologie gefunden war! Inzwischen sind laut den Autoren viele Wissenschaftler davon überzeugt, "dass die Quantenmechanik auf der grundlegenden Ebene in der Biologie eine Rolle spielen muss." (S. 23). Weiter hinten kann man lesen: "Offenbar bemühen lebende Systeme sich nicht, molekulare Schwingungen zu vermeiden, sondern sie tanzen zu deren Rhythmus. [...] Das molekulare Orchester spielt nicht in einem ruhigen Konzertsaal, sondern wie auf einem Platz in einem lebhaften Stadtzentrum: inmitten einer Kakophonie aus molekularem Rauschen, das jeden einzelnen Musiker stört, so dass die Schwingungen der Excitonen wahrscheinlich aus dem Tritt geraten und ihre empfindliche Quantenkohärenz verloren geht." (S. 359)

Problematisch ist es aber, diese Phänomene zu messen, denn "wenn ein Quantensystem in Wechselbeziehung einem klassischen Messinstrument tritt, [...] verliert es seine seltsamen Quanteneigenschaften." (S. 24). Trotzdem schreiben Sie auf S. 26: "Quantenphänomene wie die Superposition und den Tunneleffekt hat man in zahlreichen biologischen Phänomenen entdeckt, von den Mechanismen mit denen Pflanzen das Sonnenlicht einfangen, bis zur Produktion von Biomolekülen in unseren Zellen."

Der erste Fachartikel über Quantenbiologie wurde 1932 von Pascual Jordan für die deutsche Fachzeitschrift "Die Naturwissenschaften" verfasst. Der Titel lautete "Die Quantenmechanik und die Grundprobleme der Biologie und der Psychologie". Schrödinger hat sich auch mit der Frage befasst, was Leben sei. "Nach seiner Überzeugung sind zumindest einige der kleinsten biologischen Maschinen so winzig, dass sie nicht den klassischen Gesetzen unterliegen." (S. 66) "Lebewesen, so Schrödingers Behauptung, sind Phänomene auf Quantenebene, die durch die Luft fliegen, auf zwei oder vier Beinen laufen, im Ozean schwimmen, im Boden wachsen oder auch dieses Buch lesen können." (S. 68). Gemäss Autoren unterscheidet sich Leben von unbelebten Objekten, "weil eine relativ kleine Zahl hochgeordneter Teilchen - beispielsweise in einem Gen oder im Kompass der Vögel - einen ganzen Organismus entscheidend beeinflussen können. " (S. 70)

Die beiden Autoren schreiben auch über das Bewusstsein, wobei sie klar stellen, dass man keine Ahnung hat, was das Bewusstsein überhaupt ist. Auf S. 304 kann man lesen, dass der Dualismus eigentlich überwunden sei: "In wissenschaftlichen Kreisen ist der Dualismus jedoch im Laufe des 20. Jahrhunderts in Misskredit geraten, und heute bevorzugen die meisten Neurobiologen die Vorstellung eines Monismus - danach sind Geist und Körper ein und dasselbe." Selbstverständlich kommt auch die "Tubulin-Hypothese" des Bewusstseins von Penrose und Hameroff zu Worte, wobei die Autoren der Ansicht sind, dass Mikrotubuli vermutlich schon deshalb nicht als Kandidaten für kohärente Quanten-Qubits in Frage kommen, weil sie zu gross und zu kompliziert sind (S. 316). "Berechnungen legen aber die Vermutung nahe, dass die Quantenkohärenz sich selbt in einem einzelnen Mikrotubulus nicht länger als für wenige Picosekunden aufrechterhalten lässt, eine viel zu kurze Zeit, als dass sie irgendeinen Effekt auf die Rechenvorgänge im Gehirn habe könnte." (S. 317) Gemäss Autoren liegt ein möglicher Schauplatz quantenmechanischer Phänomene im Gehirn in den Ionenkanälen der Zellmembranen von Neuronen (S. 319 ff). Die Auoren stellen auch gleich klar: "Überlegungen, wonach EM-Felder des Gehirns oder auch quantenkohärente Ionenkanäle dazu dienen könnten, das Bewusstsein zu erklären, liefern keinerlei Unterstützung für sogenannte "paranormale Phänomene"." (S. 323)

Im letzten Kapitel schreiben die Autoren über das Leben am quantenmechanischen Rand eines klassischen Sturms. "Die Dynamik des Lebens befindet sich in einem fein ausbalancierten Gleichgewicht, so dass Ereignisse auf der Quantenebene sich in der makroskopischen Welt auswirken können, genau wie Pascual Jordan es schon in den 1930er Jahren propheizeite. Dieses makroskopische Ansprechen auf den Quantenbereich ist eine einzigartige Eigenschaft des Lebendigen und erlaubt es ihm, potentiell Phänomene auf der Quantenebene wie Tunnelefekkte, Kohärenz und Verschränkung zu nutzen. [...] Statt sich vor den Stürmen zu verstecken, nimmt das Leben sie an und nutzt ihre molekkularen Winde und Böen, die seine Segel füllen und das Schiff aufrecht halten, so dass sein schmaler Kiel die thermodynamischen Gewässer durchdringt und mit der Welt der Quanten in Verbindung tritt." (S.374-378)