Donnerstag, 18. Oktober 2018

Gesundheit ist kein Zufall

Das neueste Buch von Peter Spork (http://www.peter-spork.de/103-0-Gesundheit-ist-kein-Zufall.html) bezeichnet die faz als "Eines der sechs wichtigsten Bücher der Saison" und übertreibt damit nicht :-).

Auf rund 375 Seiten erklärt Spork gut verständlich, wie das Leben unsere Gene prägt, zeigt die neuesten Erkenntnisse der Epigenetik auf und legt dar, wieso Gesundheit ein Generationenprojekt ist. Bereits in der Einleitung findet Spork eine sehr treffende Definition von Gesundheit: "Gesundheit ist die Anpassungsfähigkeit von Körper und Geist an eine sich stets wandelnde, nicht selten bedrohliche und angriffslustige Umwelt. [...] Sie ist ein Prozess, ein Kontinuum. Gesundheit ist die aktive Leistung eines Organismus." Spork liefert auf S. 65 auch gleich die derzeit gängige "Methusalem-Formel" für ein langes, gesundes Leben: "niemals rauchen, wenig Alkohol trinken, sehr regelmässig ziemlich viel bewegen, immer nur in Massen, abwechslungsreich und möglichst frische Waren essen, ausreichend schlafen, sich keinen extremen dauerhaften psychischen Belastungen aussetzen." 

Gemäss Spork steuert das Epigenom unsere Gesundheit viel stärker als die Gene, die wir von unseren Eltern geerbt haben: "Ob wir krank werden oder nicht, ob wir frühzeitig altern oder lange fit bleiben, darüber entscheidet sehr viel mehr die übergeordnete Ebene: die grösstenteils durch die wandelbare epigenetische Umgebung der DNA geprägte, bleibende Steuerung der Aktivierbarkeit der Gene in den beteiligten Zellen und Organen. Diese wirkt nicht selten auf Tausende von Genen gleichzeitig. Sie reguliert - ausgelöst durch den Lebenssil und andere Umwelteinflüsse sowie unterstützt durch generationsüberschreitende Prozesse - auf breiter Front solche Gene herauf oder herunter, die uns entweder gesund erhalten oder krank machen" (S. 70/71)

Mit zunehmendem Alter nimmt die Methylierung der DNA ab, was bedeutet, dass mehr Gene aktivierbar sind. Der kalifornische Biostatistiker Steve Horvath hat aufgrund dieser Tatsache 2011 mit Kollegen einen Speicheltest veröffentlicht, mit dem sich das Alter einer unbekannten Person auf 5 Jahre genau ermitteln lässt (epigenetische Uhr). Inzwischen hat er seinen Algorithmus auf eine Genauigkeit von 3.6 Jahren verbessert. Interessant: Bei Krebszellen stellte Horvath fest, dass ihre epigenetischen Uhren im Mittel 36 Jahre älter erscheinen, als sie tatsächlich sind. Dies zeigt, wie stark beschleunigt Krebszellen "ticken"...! (S. 88 - 92)

Das Buch beschreibt viele Studienresultate, die auf eindrückliche Art und Weise zeigen, wie unser Erbgut nicht nur während der Schwangerschaft, nach der Geburt und während den ersten Lebensmonaten, sondern auch (und das klingt jetzt fast etwas science-fiction-mässig!) bereits VOR der Empfängnis beeinflusst wird! Die Forscherin Isabelle Mansuy forscht dazu in Zürich: Sie und ihre Kollegen haben epigenetische Veränderungen traumatisierter Mäusemännchen aus deren Spermien entnommen und in Eizellen gespritzt, die zuvor von nicht-gestressten Männchen befruchtet worden waren. "Später zeigte sich: Obwohl weder beide Eltern noch die Kinder je ein Trauma erlebt hatten, verhielten sich die Kinder ähnlich wie die traumatisierten Mäusemännchen, von denen sie lediglich die RNAs geerbt hatten." (S. 149/150)

Ein weiteres Beispiel: "Unlängst fanden Forscher heraus, dass bei einer künstlichen Befruchtung bereits die Art der Nährlösung, in der der Keim in einer Petrischale auf die Einnistung vorbereitet wird, über die Zukunft des Babys mit entscheidet. Je nach Zusammensetzung der Nährlösung werden die Kinder früher oder später geboren und haben im Mittel ein unterschiedliches Geburtsgewicht." (S. 154/155)

Spork Buch zeigt auf gut verständliche Art und Weise die faszinierenden neuesten Erkenntnisse der Epigenetik auf. Für nicht so Biologieversierte gibt es ein 13-seitiges Glossar und für alle Interessierten ein ausführliches Studien- und Literaturverzeichnis ("Anmerkungen") für weitere eigene Recherchen. Das Tollste finde ich aber fast die Tatsache, dass Spork niemals "missioniert": So zeigt er im Schlusswort klar, dass auch das vermeintlich "Ungesunde" gut sein kann, wenn man sich damit belohnt (Motto: sich zwischendurch genussvoll Schokolade zu gönnen ist völlig in Ordnung). Sporks Buch zeigt sehr gut auf, dass wir durch unseren Lebensstil bestimmte Programme in unseren Zellen abrufen und so auch die Möglichkeit haben, das Optimum aus unseren genetischen Möglichkeiten zu holen.


Sonntag, 7. Oktober 2018

Übersäuerung - Mythos oder Wirklichkeit?

Übersäuerung ist ein Lieblingsthema vieler Naturheilmethoden und dahinter steht ein mächtiger Markt an Nahrungsergänzungsmitteln, die es aber eigentlich gar nicht braucht. Wären wir wirklich übersäuert, ginge es uns derart schlecht, dass wir im Spital lägen und nicht mehr in der Lage wären, uns selber mit Basenpulver zu kurieren. Von einer Übersäuerung (= metabolische Azidose) spricht man in der Schulmedizin dann, wenn der Blut-pH unter 7.35 fällt. Dieser Befund kann lebensgefährlich sein und zeigt sich in Symptomen wie beispielsweise Atemnot, Hyperventilation, Herzrhythmusstörungen und niedrigem Blutdruck.

Damit dies nicht passiert, hat unser Blut als eine wichtige Eigenschaft die Fähigkeit, den pH-Wert konstant bei 7.4 zu halten. Weicht er um mehr als 0.05 Einheiten ab, spricht man von einer Azidose (pH tiefer als 7.35), resp. einer Alkalose (pH höher als 7.45). Der pH-Wert variiert je nach Stoffwechsellage unseres Körpers und diese wiederum hängt von unserer Nahrung ab. Damit der pH-Wert trotz unserer (Fehl-)Ernährung in sehr engen Grenzen konstant bleibt, verfügt unser Blut über ein ausgeklügeltes Puffersystem:


Erklärungen dazu gibt es bei der Quelle der obigen Abbildung: http://biorama.s3-website-eu-west-1.amazonaws.com/biblio/b50chem/k06saba/saba130.htm

Betrachtet man obige Darstellung, wird einem eigentlich klar, dass wir durch Stoffwechselprozesse entstehende überschüssige "Säuren" via Niere ausscheiden, wodurch unser Urin sauer wird. Das ist also eine ganz natürliche Reaktion unseres Körpers, um unseren Blut-pH konstant zu halten. Auch via Lunge atmen wir überschüssiges Kohlendioxid ab, das im Rahmen dieser Blutpufferung anfällt (deshalb zeigen Azidose-Patienten die typische forcierte "Kussmaul-Atmung").

Was wir essen, beeinflusst natürlich via Stoffwechselprozesse die Bildung von mehr oder weniger Säuren. Diese Säuren gehen dann ins Blut, wo sie via Puffersysteme neuralisiert werden, damit der Blut pH kontant bei 7.4 bleibt. Via Blutgefässen und feinsten Kapillaren gelangen die Nährstoffe des Blutes bekanntlicherweise zu den Zellen. Da der Blut-pH dabei immer kontant bleibt, ist es mir schleierhaft, wie gleichzeitig Säuren in die Zellen oder den Interzellularraum gelangen sollen. Genau dies wird aber immer wieder propagiert und damit wir uns "entsäuern" können, sollen wir teure Basenpulver und sonstige Nahrungsergänzungsmittel kaufen. Wenn wir unser Blutpuffer-System nicht allzu arg stressen wollen, reicht es, auf eine gesunde Ernährung zu achten, genügend zu trinken und uns ausreichend zu bewegen.

Zudem frage ich mich: Wenn ich dieses teuer gekaufte Basenpulver esse, gelangt es ja als erstes in den extrem sauren Magen - da dürfte die basische Wirkung sofort neutralisiert werden, respektive dem sauren Magenmilieu eher schaden als nutzen. Unser Magen soll aber so sauer sein wie er ist, damit 1. die Nahrung desinfiziert wird und 2. Eiweisse denaturiert werden. Wenn wir da jetzt Basenpulver reinschütten, ist das doch einfach nur schade...

"Um einer metabolischen Azidose durch eine passende Prophylaxe aus dem Weg zu gehen, sollten die Risikogruppen mit einer entsprechenden Vorerkrankung täglich eine ausreichende Menge an Flüssigkeit zu sich nehmen und sich körperlich aktiv bewegen." 
Quelle: https://medlexi.de/Metabolische_Azidose
Ausserdem können wir unser Blutpuffer-System etwas schonen, wenn unsere Ernährung weniger Säure-bildende Lebensmittel (z. B. Fleisch, Käse, Milch, Eier und Süßigkeiten) beziehungsweise mehr Basen-spendende Lebensmittel (Gemüse und Obst) enthält.

Zu den im obigen Zitat erwähnten Risikogruppen zählen Diabetes-Patienten, Menschen mit Asthma bronchiale und Menschen mit Nierenfunktionsstörungen.

Im Körper gibt es übrigens noch weitere wichtige pH-Werte, die alle mehr oder weniger konstant sind: So ist z.B. die Haut leicht sauer (pH 5.4), unser Magen extrem sauer (pH 1-2) und Gallen- sowie Bauchspeicheldrüsensaft sind leicht basisch (pH ca. 8). Das Wunderbare an diesen Werten ist, dass sie unser Körper selber durch homöostatische Prozesse konstant halten kann - auch ganz ohne Basenpulver. Fazit: Obwohl es praktisch nicht möglich ist, mittels Fehlernährung in eine metabolische Azidose zu laufen (vorausgesetzt, Nieren- und Lugenfunktion sind nicht eingeschränkt) können wir unseren Körper dennoch unterstützen, indem wir viel basenbildendes Obst und Gemüse und weniger säurenbildende tierische Produkte und Süssigkeiten essen. Wenn wir Letzteres tun, reagiert unser Körper einerseits mit der vermehrten Ausscheidung der Säuren und andererseits mit der vermehrten Produktion von Cortisol. Und damit zeigt er deutlich, dass wir ihn stressen!

Einen guten Artikel zum Thema kann man hier nachlesen:
http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/kann-der-koerper-uebersaeuern-mythos-oder-medizin-a-1095119.html


WUNDERbares Buch!

In seinem Buch "Wunder wirken Wunder"  schafft Eckart von Hirschhausen auf äusserst amüsante und unterhaltsame Art und Weise die Gratwanderung zwischen Schul- und Alternativmedizin.


http://www.hirschhausen.com/buecher/wunder-wirken-wunder.php

Das Buch liest sich sehr gut und kann problemlos als (Ferien-)Lektüre empfohlen werden. Es verfügt über amüsante Bilder, witzige Fotos und liebevolle Details (z.B. den kleinen Zauberpinguin, der sich unten rechts durchs ganze Buch bewegt und auch als "Daumenkino" animiert werden kann).

Hirschhausen schreibt zwar sehr unterhaltsam, doch was er schreibt, hat Hand und Fuss! Gleich schon zu Beginn schreibt er in seiner Einführung, dass es ihm nicht gelingen wird, den Streit zwischen Schul- und Alternativmedizin zu schlichten (obwohl dies sein anfängliches, ehrgeiziges Ziel war). "Ich bin den Streit zwischen Schul- und Alternativmedizin leid, die in endlosen Grabenkämpfen viel Energie verlieren und es dem Patientn schwermachen, sich in den verschiedenen Welten gut zurechtzufinden. Ich möchte erklären, wie mann 'wirksam' von 'unwirksam' unterscheiden kann, warum das machbar ist, aber oft nicht gemacht wird. Und ich möchte Ihnen erläutern, dass den grössten Hebel für Ihre Gesundheit Sie selbst in der Hand haben." (S. 13/14). Dies gelingt Hirschhausen vortrefflich!

In seinem Buch entlarvt Hirschhausen Philippinische Wunderheiler, zeigt auf, wie kinesiologische Muskeltests funktionieren und zieht mit einem Augenzwinkern und deutlichen Worten über Homöopathie ("Wenn man wissenschaftlich korrekt vorgeht, beruht die Wirkung der Homöopathie nicht auf spezifischen Eigenschaften der Globuli, sondern auf dem Drumherum.") und Bioresonanz her. Aber auch mit der Schulmedizin geht er hart ins Gericht und sagt klar, dass man viele unnötige Operationen und nutzlose Behandlungen anbietet, anstatt sich Zeit für ein echtes Gespräch zu nehmen.

Entspannend ist auch seine Aussage "Selbstverantwortung ist wichtig, Selbstkasteiung braucht niemand.". Er distanziert sich ganz klar von der Haltung vieler alternativen Heilmethoden, wonach wir die Verantwortung für unsere Krankheiten zu übernehmen haben: "Es gibt weder eine Krebs- noch eine Herzinfarktpersönlichkeit. [...] Der Einfluss der Psyche wurde überschätzt, und das ist eine grosse Erleichterung, die sich herumsprechen sollte." Allerdings schreibt er etwas weiter unten: "Bei einer der häufigsten Erkrankungen, den unspezifischen Rückenschmerzen, spielt in den allermeisten Fällen die Psyche eine grosse Rolle."

Ausserordentlich gut gefällt mir seine Aussage in der Mitte des Buches (S. 250): "Ein echtes Wunder wäre es, wenn wir aufhören würden, unseren Körper als Feind zu betrachten und ständig gegen etwas zu kämpfen. Gegen Falten, gegen graue Haare, gegen Kilos. Sobald wir mit der Selbstzerstörung aufhören, beginnt die Selbstheilung."

Hirschhausens Buch ist wirklich ein Wunderwerk, das man immer wieder zur Hand nehmen und in dem man immer wieder nachlesen kann. Es gibt darin auch handfeste Tips und im Alltag gut umsetzbare Ratschläge. Und letztlich ist das Buch selber auch Medizin, weil es einen immer wieder zum Lachen bringt!

Im letzten Kapitel schreibt Hirschhausen: "Der Gesundheitsmarkt ist eben keine reine Wissenschaft, sondern immer auch Unterhaltungsindustrie. Aber die 'Show' der Mediziner, ihre Fähigkeit zu spüren, was wer braucht, all das ist in den letzten 100 Jahren ignoriert worden, mit dem Ergebnis einer tiefen Krise des Vertrauens in die Wissenschaft bei gleichzeitiger Überbehandlung und Flucht in die Alternativmedizin." (S. 487)