Mittwoch, 7. Mai 2014

Burnout-Lüge

"Die Wiener Gynäkologin, Ärztin für Psychosomatik und Psychotherapeutin bezeichnet das Ausgebranntsein als eine "Erfindung einer Gesellschaft", die sich eigentlich ihren wahren Problemen stellen müsste. Sie sieht Burnout-Patienten als Vorreiter eines Systemcrashs. Im Laufe ihrer Berufslaufbahn habe sie eine "Burnout-Explosion" erlebt." 
(Quelle: http://www.nachrichten.at/nachrichten/gesundheit/Die-grosse-Burnout-Luege-oder-Was-uns-wirklich-schwaecht;art114,1239782)

Oben genannte Ärztin heisst Martina Leibovici-Mühlberger und hat ein Buch unter dem Titel "Die Burnout-Lüge" verfasst. In der Zeitschrift "Donna" vom Mai 2014 kann man ein Interview mit Leibovici lesen.

Leibovici nimmt Unternehmer in Schutz, wenn Sie feststellt, dass wir alle den Unternehmern und dem hohen Druck am Arbeitsplatz die Schuld in die Schuhe schieben. "Mal im Ernst, es gibt heute Tausende Arbeitsschutzauflagen, die Firmen erfüllen müssen, so gut war das noch nie organisiert. Im Vergleich zu früheren Generationen ist die Belastung eine recht geringe."

Auf die Frage, worin Leibovici denn den wahren Grund für einen Burnout sehe, antwortet sie: "Eine ganz wesentliche Ursache liegt darin, materiellen Erfolg mit Lebenserfolg gleichzusetzen. [...] Das heisst, man suggeriert uns materielle Ziele, an die eine Glücksversprechung geknüpft ist. [...] Und dann erreichen wir irgendwann all diese Dinge - und das Glück bleibt trotzdem aus. [...] Wir stellen fahrlässig hintenan, was uns wirklich zum Menschen macht. Unser Leben als Beziehungswesen. Und das ruhige, selbst gestaltete Sein."

Leibovici ist davon überzeugt, dass wir unbedingt wieder vermehrt für die Arbeit - und nicht für die exzessive Freizeitgestaltung leben sollten. Für sie ist "Sinnbefüllung" absolut wesentlich. "In der Therapie zeigen wir, dass man vieles von dem, was angeblich unverzichtbar ist, wegstreichen kann, damit wieder Raum frei wird. Oft geht's um eine neue Bescheidenheit. Das läuft zwar der Konsumideologie der Gesellschaft entgegen, aber ich sehe häufig, dass es die Menschen glücklicher macht." Um das zu erreichen, empfiehlt sie "Love, Work, Pray", womit sie auf das tiefe Bedürfnis des Menschen nach glücklichen Beziehungen, sinnvolle Arbeit, Erkenntnis und Spiritualität abzielt. Als praktische Empfehlung gibt sie den Tip der Achtsamkeit: "Wir fahren meist mit einem viel zu hohen Tempo durch unsere Tage. Durch bewusste Achtsamkeit nehmen Sie den Fuss etwas vom Gas. Versuchen Sie zum Beispiel mal, eine Viertelstunde nichts weiter zu tun, als bewusst zu schauen."

Als logische Konsequenz für die Wichtigkeit des Sinnes stellt Leibovici fest, dass man halt gehen müsse, wenn man in einer Struktur arbeite, die keinen Sinn vermittelt. Das tönt für mich sehr logisch und einfach, ist aber wohl in der Praxis oft nur schwer umzusetzen, weil sich viele (zu Recht) vor den wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen eines solchen Schrittes fürchten. Ich glaube, wir sollten viel eher versuchen, den Sinn in den alltäglichen kleinen grossen Wundern unseres (Berufs-)Lebens zu suchen und zu finden. Wenn wir es schaffen, uns täglich über die Um- und Mitwelt staunend zu freuen, laufen wir wohl kaum Gefahr, direkt in eine Sinnkrise zu rennen. Schliesslich zeigen auch quantenphysikalische Experimente: Es gibt keine objektive Wirklichkeit, und somit ist etwas auch nicht einfach "gut" oder "schlecht", sondern wird zu dem, als das wir es betrachten...

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