Donnerstag, 17. September 2015

Wie das Gehirn die Seele macht

Unter diesem Titel hielt der Neurobiologe Gerhard Roth am 9. Juli 2015 an der Goethe-Universität, Campus Westend,  in Frankfurt einen Vortrag, den man unter folgendem Link in voller Länge anschauen kann.

https://www.dasgehirn.info/entdecken/grosse-fragen-1/gerhard-roth-wie-das-gehirn-die-seele-macht-7990/

Roth erklärt darin das von ihm und anderen entwickelte Modell des 4-Ebenen-Modelles des lymbischen Systems, auf welchem verschiedene seelische Prozesse ablaufen. In meinen Augen stellt er seelische und emotionale Prozesse somit auf eine Ebene, und ich frage mich, ob das dem Konzept "Seele" wirklich entspricht.

Hypothalamus als unterste limbische Ebene = Mechanismen, die uns am Leben erhalten (vegetative Zentren) werden hier koordiniert und gesteuert. Funktioniert der Hypothalamus nicht mehr, sind wir nicht mehr lebensfähig. Hier sitzt auch unser Temperament (das, womit wir mit unserer Persönlichkeit auf die Welt kommen).

Amygdala als Ebene zur Erkennung emotionaler Signale. Diese Ebene wird vor allem in den ersten drei Lebensjahren durch die Umwelt geprägt. Kennzeichnend ist, dass wir uns nicht mehr an die prägenden Ereignisse erinnern können. Somit sind die beiden untersten Ebenen unbewusst.

Wie die Darstellung aus dem Vortrag zeigt, sind die beiden obenen Ebenen in unserem Bewusstsein, da sie beide in unserer Grosshirnrinde lokalisiert sind
.

Viel interessanter als das vier Ebenen-Modell fand ich aber, was Roth zur Wirkung von Oxytocin sagte. Dieses "Kuschelhormon" führt
- zur Reduktion der hormonellen Stressachse (Cortisol-Produktion wird signifikant gebremst), was zu einer Verminderung von Angst- und Bedrohtheitsgefühlen führt
- zu einer Erhöhnung des Serotoninspiegels sowie zu einer Erhöhnung der körpereigenen Opioide, was eine Beruhigung und Erhöhung des Wohlbefindens nach sich zieht
- zu einer Anregung der Neubildung von Nervenzellen in limbischen Zentren des Gehirns! Dadurch können pränatale und in der frühesten Kindheit erworbene psychische Defizite kompensiert werden. 

Da Oxytocin durch Bindungen ausgeschüttet wird, ist die Wichtigkeit des "Therapeuten-Patienten-Verhältnisses" auch biologisch klar: Roth bezeichnet deshalb auch die "therapeutische Allianz" als enorm wichtig für einen therapeutischen Erfolg. Wo keine emotionale Bindung zwischen Therapeut und Patient entsteht, ist auch ein Therapieerfolg höchst unwahrscheinlich. 
Interessant ist, dass zahlreiche Studien (z.B. Wampold 1997, Imel und Wampold 2008) ergaben, dass verschiedene gängige Psychotherapien alle mehr oder weniger die gleiche Effektivität zeigten. Laut Roth handelt es sich bei diesem Phänomen nicht um den Placebo-Effekt, sondern um den "Common-Factor", welcher wie folgt umschrieben werden kann:
- der gemeinsame Faktor des Bindungs- und Vertrauensverhältnisses zwischen Therapeut und Patient
- der Glaube des Therapeuten an seine Methode (unwichtig, welche es war)
- der Glaube des Patienten, dass ihm geholfen werden wird

Die Methode spielt demnach gar keine Rolle, sondern die Qualität der menschlichen Beziehung sowie der Glaube an die Methode sind das Entscheidende! Dies bezeichnet Roth als "therapeutische Alianz". Sie spielt in einer erfolgreichen Psychotherapie eine grosse Rolle, wobei man zwei Therapiephasen unterscheiden kann: (slides aus dem Vortrag):


Wer es sich sparen will, den rund stündigen Vortrag von Roth zu hören, kann das Fazit auch gut aus folgenden Vortragslides entnehmen:





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