Dienstag, 9. Juli 2013

Der zweite Code



Der promovierte Neurobiologe Peter Spork arbeitet seit 1991 als freier Wissenschaftsjournalist und Autor. Er hat mit "Der zweite Code" ein sehr gut lesbares und hoch spannendes Buch über die neuesten Erkenntnisse und Forschungsbestrebungen im Bereich der Epigenetik geschrieben. In seinem Buch habe ich viele Neuigkeiten zur Regulation der Gene gelernt, und nur schon deshalb finde ich dieses sehr gut lesbare und seriös recherchierte Buch absolut empfehlenswert.

Gleich im ersten Kapitel beschreibt Spork sehr gut, wie unser Erbgut aufgebaut ist und wie die "Schalter" funktionieren, welche die Genaktivität steuern. Methylgruppen, Histonmodifikation und Mikro-RNA als epigenetische Regulatoren werden von S. 48 - 63 kurz, bündig und verständlich beschrieben. Dieses erste Kapitel schliesst denn auch schon mit einer Aussage, die als grobes Buchfazit dienen könnte: "Wer sein Leben ändert, ändert seinen Stoffwechsel und sein Hormonsystem Und das beeinflusst langfristig Methylierungsmuster, Histonmodifikationen und Mikro-RNAs." (S. 63)

Spork beschreibt, wie die Umwelt die Genaktivität der Zellen regulieren kann und welche Konsequenzen sich daraus für uns und unsere Kinder ergeben: " 'Spüren' die Epigenome der Kinder, dass die Welt ihrer Eltern eine freundliche und lebenswerte ist, justieren sie sich wohl so, dass liebevolle, zufriede, bindungsfähige und ausgeglichene Persönlichkeiten entstehen." (S. 107)

Weiter geht Pork - ähnlich wie auch Joachim Bauer - recht detailiert auf die Entstehung von Krankheiten ein und beschreibt, wie die Epigenetik in sehr vielen Fällen die Basis für Krankheiten ist. Er zitiert den berühmten "Agouti-Maus-Forscher" Randy Jirtle auf S. 161: "Die meisten Krankheiten entstehen nicht erst im Erwachsenenalter. Ihr Ursprung liegt oft bereits in den frühesten Entwicklungsstadien direkt nach der Befruchtung. [...] Die Basis der meisten Leiden ist die Epigenetik. Denn Krankheiten entstehen nun mal leichter durch eine falsche Regulation der Gene als durch falsche Gene selbst."

Dank Spork habe ich zum ersten mal von der Alternative zur Stammzellforschung gelesen: Es ist 2007 erstmals gelungen, Körperzellen zu reprogrammieren - sie quasi wieder in einen undifferenzierten Zustand zurück zu versetzen. Die so hergestellten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) haben ein Epigenom, dass mit demjenigen einer echten Stammzelle identisch ist (S. 253). Auf S. 253 kann man die optimistische Einschätzung des Forschers Rudolf Jaenisch lesen: "In absehbarer Zeit habe man das Verfahren vermutlich so gut verstanden, dass man geeignete Körperzellen auch ohne Gentechnik in Stammzellen verwandeln könne - allein mit einem Mix verschiedener, von aussen zugeführter Substanzen, die das Epigenom zur passenden Umschaltung veranlassen. [....] Wenn die Wissenschaftler gelernt haben, direkt vom epigenetischen Programm einer ausdifferenzierten Zelle in das einer anderen umzuschalten, können sie zum Beispiel eine Hautzelle in eine Nervenzelle verwandeln oder eine Hodenzelle in eine insulinproduzierende Bauchspeichedrüsenzelle und so weiter. Bei Mauszellen ist das im Ansatz schon gelungen."

In seinem Buch beschreibt Spork auch, was Forscher im Erbgut von sehr alten Menschen gefunden haben, wobei er auch klar sagt, dass man bisher noch nicht genau weiss, wieso einige Menschen langsamer altern als andere. Doch es gibt ganz klare Hinweise, dass viel Bewegung, wenig Stress und die richtige Ernährung Garanten für ein langes Leben sind. Ganz am Schluss des Buches schreibt er dazu selber: "Jeder kennt diese Tipps, jeder weiss, dass sie richtig sind. Und doch sind sie so schwer umzusetzen - weil uns kein Arzt, Therapeut oder Guru die Verantwortung für uns selbst abnehmen kann. Wir entscheiden nun mal zu einem Grossteil selbst darüber, in welcher Umwelt wir leben. [...] Das wirklich neue an der Epigenetik ist, dass sie uns erklärt, wo und wie ein gesunder Lebensstil unseren Körper und Geist verändert." Und genau dazu ist Sporks Buch ein super Beitrag!!

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