Dienstag, 20. November 2012

Blackout im Gehirn

Das Spektrum der Wissenschaft behandelt in seinem Dezember-Heft unter anderem die neurologische Entstehung eines Blackouts. Als Lehrerin, die von Schülern oft hört, dass sie einen Blackout hatten oder gerade haben, hat mich der Artikel natürlich sehr interessiert...Information ist die beste Medizin - deshalb hier einige Infos zum Blackout:

Das Grosshirn ist evolutiv relativ "jung" und wird gemeinhin als Sitz der Ratio angesehen. Der Artikel beschreibt, wie unter Stress der präfrontale Kortex ausgeschaltet wird. Unter Stress wird das Angstzentrum in der Amygdala (unser emotionales Zentrum im Zwischenhirn welches evolutiv viel älter ist) aktiviert, wodurch sich die Produktion der Stresshormone Noradrenalin und Dopamin im Hirnstamm erhöht. Genau dieser Mechanismus führt laut dem Artikel dazu, dass der präfrontale Kortex - und somit auch unsere Ratio - ausfällt und sich unflexibles Verhalten sowie weitere negative Emotionen breitmachen. Unser Arbeitsgedächtnis und somit auch das Konzentrationsvermögen werden unter diesem neurologischen Stressmilieu stark beeinträchtigt und es fällt uns schwer, unser Verhalten zu kontrollieren. Der Körper reagiert auf den Stress mit noch mehr Stresshormonen: Die Nebennieren schütten Cortisol aus, welches über die Blutbahnen auch ins Gehirn gelangt und dort den Effekt noch verstärkt.

Evolutiv macht diese Angstreaktion Sinn: Angst ist lebensrettend! Wer Angst hat, rennt um sein Leben und analysiert nicht mehr lange, welche Vor- oder Nachteile eine direkte Konfrontation mit dem Mammut (oder Bären) bringen würde... In dem Moment wird also die kognitive Leistung des präfrontalen Kortex wirklich nicht gebraucht. Doch in der heutigen Zeit sind die Mammuts und Bären eher unfassbar und durch moderne Stressoren ersetzt worden, während unser Körper immer noch gleich auf Angst reagiert wie in der Steinzeit. Wenn ein Lehrer die gleiche Reaktion auslöst wie ein Höhlenbär, würde der betroffene Schüler wohl besser Reissaus nehmen - sein Körper bereitet ihn jedenfalls darauf vor...

Die Hoffnung der Forscher besteht darin, stressbedingte Verhaltensfehler besser vermeiden zu können, wenn man versteht, wie das Gehirn von "rational" auf "impulsiv" umschaltet. Dass hier auch medikamentöse Therapien im Interesse stehen, wird ebenfalls erwähnt.

Doch mir gefällt der letzte Absatz des Artikels eindeutig am besten: "Möglicherweise verbessert sich unsere Selbstbeherrschung bereits dadurch, dass wir wissen, wie unser Denkorgan auf Stressbelastungen reagiert. Wenn Sie etwa bei der nächsten Prüfung einen gedanklichen Aussetzer haben oder während einer wichtigen Rede einen Blackout erleben, machen Sie sich klar, dass Ihr Gehirn damit lediglich versucht, Sie vor dem Bären zu retten. Dieser Gedanke könnte Ihnen zumindest ein heilsames Schmunzeln entlocken."

Die Autorinnen Amy Arnsten, Rajita Sinha und Carolyn Mazure (alle von der Yale School of Medicine) scheinen also auch um die Kraft des Lächelns zu wissen...

Und weil die Hoffnung besteht, dass wir unsere Selbstbeherrschung beim nächsten Blackout verbessern, wenn wir wissen, was im Gehirn gerade abgeht, hier noch die Grafik aus dem Artikel:


Mehr Infos dazu: http://www.spektrum.de/artikel/1168626

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