Mittwoch, 15. November 2023

Daumen-Yoga für das Gehirn

Zufällig habe ich dieses kleine Büchlein von Yoshiya Hasegawa entdeckt. Der Untertitel "Einfache Fingerübungen gegen Vergesslichkeit, Demenz und Alzheimer" hat mich neugierig gemacht und als ich gelesen habe, dass Hasegawa einer der führenden Neurologen Japans ist, war es für mich klar, dass ich das lesen musste! 

Hasegawa beschreibt sehr einfach und gut lesbar die Zusammenhänge zwischen der Aktivierung des Daumens und der Aktivierung der motorischen sowie der somatosensorischen Cortex in unserer Grosshirnrinde. Die Homunculus-Puppe fehlt ebenso wenig (S. 34/35) wie Bilder zu einfachen Fingerübungen, die man unauffällig täglich machen kann. Dabei erklärt Hasegawa drei Grundübungen (Daumen im ersten Daumengelenk biegen, Daumen am Grundgelenk gegen die Handflächen bewegen, mit Daumenspitze abwechselnd auf alle andern Fingerspitzen klopfen) sowie sechs weitere Aktivierungsübungen für den Daumen und somit auch fürs Gehirn. 

Weiter gibt es viele Tips, wie man in der Alltagsgestaltung durch bewusste Daumenstimulation sein Gehirn zusätzlich verjüngen kann. 

Interessant finde ich den von Hasegawa angeführten Aspekt, dass die Spezies Mensch vermutlich auch deshalb evolutiv so erfolgreich ist, weil sie einen so präzise bewegbaren Daumen entwickelt hat, welcher im Gebrauch immer mehr "komplizierte" Tätigkeiten (z.B. Entwicklung und Gebrauch von feinsten Werkzeugen) ermöglichte, was wiederum die Grosshirnrinde weiter aktivierte. Hasegawa geht sogar soweit zu schreiben, dass Finger das zweite Gehirn seien: "Indem man die Finger aktiv bewegt, wird das Gehirn dazu angeregt, diese Informationen zu erfassen, und dadurch wird es aktiviert. [...] Durch die Bewegung der Finger werden gleichzeitig die Durchblutung und die allgemeine Aktivität des Gehirns verbessert." (S. 37-38)

Etwas weiter hinten im Buch zeigt er dann auf, dass wir durch unsere "bequeme" Lebensweise diesen evolutiven Vorteil je länger je mehr verspielen: Wir brauchen im Alltag unsere Daumen je länger je weniger, weil wir sie oft nur noch zum Tastatur-Tippen einsetzen und anderes Handwerk (z.B. mit den Händen in der Erde graben, Werkzeuge selber herstellen und brauchen, Handarbeiten usw.) je länger je mehr delegieren. Neue Erfindungen wie Putzroboter und Smartphones unterstützen diese Entwicklung zusätzlich. Am Beispiel des Telefons beschreibt er dies sehr schön: "In meiner Kindheit nahm ich den Hörer des schwarzen Telefons am Eingang ab, drehte die Wählscheibe und meldete mich. Damals war es üblich, Telefonnummern in ein Notizheft einzutragen und sich ein paar wichtige Nummern einzuprägen [..] Aber wie ist es heute? Anrufe mache ich zu fast hundert Prozent mit dem Mobiltelefon. Da ist auch keine Wählscheibe mehr, die ich mit den Fingern drehen muss, und ich muss auch keine Knöpfe mehr drücken. [...] Obwohl ich dabei den Daumen verwende, ist die Zeit, in der ich überlege, was zu tun ist, und das Gerät in die Hand nehme, äusserst kurz." (S. 99/100)

Daumenstimulation hat gemäss Hasegawa folgende Hauptwirkungen: Vorbeugung von Demenz, ein langes und gesundes Leben, Steigerung der Willenskraft und der Motivation, verschwinden von Ärger und Ungeduld, besseres Gedächtnis, guter Schlaf, sinkende Kälteempfindlichkeit, verbesserte motorische Funktion im Alltag, Stabilisierung des Blutdrucks. (S. 46-51). Hasegawa führt jeden dieser Punkte kurz aus, es fehlen jedoch wissenschaftliche Experimente, die den direkten Zusammenhangs zur Daumenstimulation aufzeigen.

Gemäss Hasegawa gibt es drei wichtige Gründe zur Verjüngung des Gehirns, welche jedoch nicht gross überraschen: 

1. neue Dinge ausprobieren, geniessen und dabei motiviert sein

2. das logische Denken trainieren und den eigenen Verstand benutzen

3. Stress reduzieren und das autonome Nervensystem ins Gleichgewicht bringen


Gegen Ende des Buches beschreibt Hasegawa auch noch elf Dinge die wir nicht tun sollten. Letztlich geht es bei allen Tips darum, dass man Dinge meiden sollte, die "bequem" für unser Gehirn sind, es aber eben nicht stimulieren. 

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