Sonntag, 26. November 2023

Muskeln - die Gesundmacher


Prof. Dr. Ingo Froböse beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Sport, Ernährung und Gesundheit, ist er doch Professor für Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Dass er selber früher Leistungssportler war, macht das, was er schreibt noch autentischer, und so habe ich mir mit viel Interesse die Inhalte seinen Spiegel-Bestseller Muskeln - die Gesundmacher zu Gemüte geführt. Nach mir bekannten Inhalten über Aufbau und Funktionsweise der Muskulatur habe ich zur Kenntnis genommen, dass nebst der Hypertrophie (also der Muskelzunahme durch "Grösserwerden" einzelner Muskelzellen) auch die Hyperplasie (Muskelzunahme durch vermehrte Zellteilung) diskutiert wird. Dieser Mechanismus kommt allerdings anscheinend erst dann zum Zuge, wenn Muskelzellen so stark belastet werden, dass Mikroverletzungen des Muskelgewebes auftreten. Ist dies der Fall, werden Satellitenzellen aktiviert, welche in die Muskelfasern einwandern und miteinander, aber auch mit den Muskelfasern selber verschmelzen. Obwohl dieser Mechanismus erst bei Tieren nachgewiesen wurde, könnte er gemäss Froböse auch bei Menschen eine Rolle spielen. 

Etwas frustierend war es zu lesen, dass ab dem 30. Lebensjahr zwischen 0.3 und 1.3 Prozent unserer Muskelmasse in Fett umgewandelt wird. Mit 80 werden wir demnach zwischen dreissig und fünfzig Prozent unserer Muskeln verloren haben. Doch immerhin: Diesem Prozess können wir durch regelmässiges Training und Gebrauch unserer Muskulatur entgegenwirken: use it or lose it!

Was mir neu war, ist die im Buch beschriebene Tatsache, dass sich leistungsfähige Muskelzellen bei langanhaltendem Stress in passives Bindegewebe verwandeln. Da dieses schlechter durchblutet ist, sammeln sich in den Muskelzellen toxische Stoffwechselprodukte an, was die Anspannung der betroffenen Muskelzellen erhöht. Dies zeigt eindrücklich, dass unsere Muskeln nicht nur "Kraftmaschinen", sondern auch feinfühlige "Emotionsrezeptoren" sind. 

Wirklich toll fand ich die Ergebnisse der Dänin Bente Klarlund Pedersen, welche 2007 im Rahmen einer Studie herausfand, dass Muskelaktivität zur Zunahme von hormonähnlichen Substanzen im Blut führt, welche sie als Myokine bezeichnet. Dies bedeutet also, dass Muskeln im Grunde auch zum endokrinen System zählen: Bei Belastung produzieren sie Myokine und geben diese direkt an das Blut ab! Anscheinend kennt man bereits über 600 dieser Stoffe, welche das Immunsystem und die Blutgefässe stärken sowie den Stoffwechsel unterstützen. Myokine sind quasi unsere eigene Apotheke, welche das Risiko für ernsthafte Krankheiten vermindern (z.B. Diabetes, Parkinson oder Osteoporose). 

Weil ich das Thema so spannend fand, habe ich im Internet ein wenig weiter recherchiert und bin dabei auf eine gute Zusammenfassung beim Norddeutschen Rundfunk gestossen. 

Mittwoch, 15. November 2023

Daumen-Yoga für das Gehirn

Zufällig habe ich dieses kleine Büchlein von Yoshiya Hasegawa entdeckt. Der Untertitel "Einfache Fingerübungen gegen Vergesslichkeit, Demenz und Alzheimer" hat mich neugierig gemacht und als ich gelesen habe, dass Hasegawa einer der führenden Neurologen Japans ist, war es für mich klar, dass ich das lesen musste! 

Hasegawa beschreibt sehr einfach und gut lesbar die Zusammenhänge zwischen der Aktivierung des Daumens und der Aktivierung der motorischen sowie der somatosensorischen Cortex in unserer Grosshirnrinde. Die Homunculus-Puppe fehlt ebenso wenig (S. 34/35) wie Bilder zu einfachen Fingerübungen, die man unauffällig täglich machen kann. Dabei erklärt Hasegawa drei Grundübungen (Daumen im ersten Daumengelenk biegen, Daumen am Grundgelenk gegen die Handflächen bewegen, mit Daumenspitze abwechselnd auf alle andern Fingerspitzen klopfen) sowie sechs weitere Aktivierungsübungen für den Daumen und somit auch fürs Gehirn. 

Weiter gibt es viele Tips, wie man in der Alltagsgestaltung durch bewusste Daumenstimulation sein Gehirn zusätzlich verjüngen kann. 

Interessant finde ich den von Hasegawa angeführten Aspekt, dass die Spezies Mensch vermutlich auch deshalb evolutiv so erfolgreich ist, weil sie einen so präzise bewegbaren Daumen entwickelt hat, welcher im Gebrauch immer mehr "komplizierte" Tätigkeiten (z.B. Entwicklung und Gebrauch von feinsten Werkzeugen) ermöglichte, was wiederum die Grosshirnrinde weiter aktivierte. Hasegawa geht sogar soweit zu schreiben, dass Finger das zweite Gehirn seien: "Indem man die Finger aktiv bewegt, wird das Gehirn dazu angeregt, diese Informationen zu erfassen, und dadurch wird es aktiviert. [...] Durch die Bewegung der Finger werden gleichzeitig die Durchblutung und die allgemeine Aktivität des Gehirns verbessert." (S. 37-38)

Etwas weiter hinten im Buch zeigt er dann auf, dass wir durch unsere "bequeme" Lebensweise diesen evolutiven Vorteil je länger je mehr verspielen: Wir brauchen im Alltag unsere Daumen je länger je weniger, weil wir sie oft nur noch zum Tastatur-Tippen einsetzen und anderes Handwerk (z.B. mit den Händen in der Erde graben, Werkzeuge selber herstellen und brauchen, Handarbeiten usw.) je länger je mehr delegieren. Neue Erfindungen wie Putzroboter und Smartphones unterstützen diese Entwicklung zusätzlich. Am Beispiel des Telefons beschreibt er dies sehr schön: "In meiner Kindheit nahm ich den Hörer des schwarzen Telefons am Eingang ab, drehte die Wählscheibe und meldete mich. Damals war es üblich, Telefonnummern in ein Notizheft einzutragen und sich ein paar wichtige Nummern einzuprägen [..] Aber wie ist es heute? Anrufe mache ich zu fast hundert Prozent mit dem Mobiltelefon. Da ist auch keine Wählscheibe mehr, die ich mit den Fingern drehen muss, und ich muss auch keine Knöpfe mehr drücken. [...] Obwohl ich dabei den Daumen verwende, ist die Zeit, in der ich überlege, was zu tun ist, und das Gerät in die Hand nehme, äusserst kurz." (S. 99/100)

Daumenstimulation hat gemäss Hasegawa folgende Hauptwirkungen: Vorbeugung von Demenz, ein langes und gesundes Leben, Steigerung der Willenskraft und der Motivation, verschwinden von Ärger und Ungeduld, besseres Gedächtnis, guter Schlaf, sinkende Kälteempfindlichkeit, verbesserte motorische Funktion im Alltag, Stabilisierung des Blutdrucks. (S. 46-51). Hasegawa führt jeden dieser Punkte kurz aus, es fehlen jedoch wissenschaftliche Experimente, die den direkten Zusammenhangs zur Daumenstimulation aufzeigen.

Gemäss Hasegawa gibt es drei wichtige Gründe zur Verjüngung des Gehirns, welche jedoch nicht gross überraschen: 

1. neue Dinge ausprobieren, geniessen und dabei motiviert sein

2. das logische Denken trainieren und den eigenen Verstand benutzen

3. Stress reduzieren und das autonome Nervensystem ins Gleichgewicht bringen


Gegen Ende des Buches beschreibt Hasegawa auch noch elf Dinge die wir nicht tun sollten. Letztlich geht es bei allen Tips darum, dass man Dinge meiden sollte, die "bequem" für unser Gehirn sind, es aber eben nicht stimulieren.